Und so rief mein Speedlog „Autohäuser hungrig auf's Motorradbusiness“ vom 23. November 2021 folgendes Leser-Echo hervor.
Es schrieb mir Joachim „Joe“ Seifert von Norton Motors GmbH & Andover Norton (International) Ltd.
„Herr Maderner, wie reagiert einer, der seit den 1980er Jahren im Motorradgeschäft ist? Gähn – alles schon mal dagewesen! Anfang der 80er hatte BMW auch diese überaus brillante Idee, seinen Autohändlern das Motorradgeschäft anzutragen. Und es sind genügend Händler damals in die Falle getappt. Bis auf ganz wenige Fälle ging das gründlich schief, und das trotz der Markenidentität, vorhandenen Corporate Identity, und der vorhanden geglaubten Kompetenz.
Das Problem war und ist, dass der Motorradfahrer sich im Autohaus deplatziert vorkommt. Sein Motorrad kostet ungefähr den Gegenwert der durchschnittlichen aufpreispflichtigen Extras-Liste der damals 7er, heute Riesen-SUVs. Und damit ist sein Stellenwert als Kunde für den durchschnittlichen Autoverkäufer auch schon klar definiert.
Die wenigen Händler, die damals auch Motorräder erfolgreich verkauften, hatten zunächst mal gestandene Motorradfahrer in Verkauf und Werkstatt, und einem hierfür reservierten Bereich. Und oft fiel das Kartenhaus dann blitzartig zusammen, wenn der von der Motorradkundschaft als echt und ehrlich anerkannte Leiter des Motorradbereichs die Firma verließ.
Man sollte sich heute doch auch mal die Frage stellen, warum bestimmte Hersteller in den Autohäusern ihr Heil suchen? Liegt das vielleicht daran, dass die Motorradleute rechnen können, und darum inzwischen diese Branche gemerkt hat, dass die Bindung an einen oder mehrere Hersteller zunächst mal enorme Kosten verursacht?
Erstbevorratung, bei der der Händlerfrischling gern auch unverkäufliche Ladenhüter vom Hersteller oder Importeur untergejubelt bekommt, Corporate Identity in all ihren kostspieligen, aber weitgehend unproduktiven und vollkommen unprofitablen Ausprägungen (ich sage nur „Pylon“...), geringe bis gar keine Rendite beim Neufahrzeugverkauf – daran haben sich die Autohändler ja schon gewöhnt, bei denen wird ja seit Jahren fast nur noch Geld gewechselt. Hinzu kommen Verkaufsvorgaben und eine vom Hersteller angeordnete Erstbevorratung von Modellen, die der Händler unter Umständen in seiner Region oder Kundschaft als praktisch unverkäuflich einschätzt.
Offensichtlich gärt es bei Auto- wie Motorradherstellern im Händlernetz, da sich die Händlerschaft von den Herstellern und Importeuren, meist mit recht, als „nützliche Idioten“ missbraucht fühlen. Ich erinnere mich, wie ich als junger Händler aus dem großspurigen Vertreter eines süddeutschen Motorradherstellers, dessen Name mir gerade entfallen ist, und der mir versuchte zu erzählen, was laut diesem Hersteller bei uns wie zu tun und umzubauen wäre, die Luft abließ mit meiner Bemerkung: „Also, wissen Sie, für uns sind Sie nur ein Lieferant!“
Also, liebe Autohändler, wenn Ihr meint, im Motorradhandel wäre die Schatztruhe begraben, die euer Autohaus vor der drohenden Insolvenz rettet, oder gar profitabler macht, lasst es Euch gesagt sein, daraus wird nichts. Das Motorradgeschäft ist beratungsintensiver, erfordert fachkundiges, waches Personal, das mehr weiß, als dass die Lampe vorn weiß, und die hinten rot ist. Und dank der geringeren Umsätze pro Fahrzeug ist die Luft hier mindestens so dünn, wenn nicht dünner, als im Automobilsektor.
Been there, done that. (Anm. d. Redaktion: „Ich habe das schon erlebt.“)“
Danke für diese offenen Worte, lieber Joachim „Joe“ Seifert. Zur Einordnung seiner Person, die in der Branche als „Mr. Norton“ bekannt ist: Seifert ist Geschäftsführer der Norton Motors GmbH & Andover Norton (International) Ltd. Seit rund 45 Jahren versorgt er die Besitzer von klassischen Nortons mit Original-Ersatzteilen. Dieses Geschäft versieht er von seinem Unternehmen mit Sitz in Gilching bei München aus.