Angefangen hat alles ganz harmlos: Anfang März 2023 veröffentlichte die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine vierte Führerscheinrichtlinie. Dieser unterschied sich nicht allzu sehr von der vorigen Richtlinie: Ein digitaler Führerschein sollte kommen, eine Probezeit von mindestens zwei Jahren für Fahranfänger und null Toleranz für Alkohol am Steuer. So weit so gut für die Verkehrssicherheit.
Was aber uns Motorradfahrern in dem Papier fehlt sind Vorschläge über Anhänger hinter Motorrädern, denn diese sind aus Sicht der Europäischen Kommission immer noch illegal. Nichts war zu finden über das Fahren eines Leichtkraftrads mit einem B-Führerschein und zusätzlicher Ausbildung (siehe die gute deutsche Lösung des B 196), nichts über die Abschaffung eines nutzlosen stufenweisen Zugangs zum A-Führerschein.
Statt Reform und Verbesserung drohen nun vor allem weitere Verbote und der erschwerte Zugang zu den Fahrlizenzen. Treiberin dieses Angriffs auf die individuelle Mobilität ist die französische Europaabgeordnete Karima Delli, welche insgesamt 198 (!) weitere Änderungsanträge eingebracht hat. Die kommen größtenteils harmlos daher, aber viele von ihnen sehen massive Einschränkungen der gegenwärtigen Regelungen vor.
Die Wichtigsten sind: kein begleitetes Fahren ab 17 mehr keine Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, ein niedrigeres Alter als die EU-Normen festzulegen, ab dem jemand einen Führerschein erwerben kann. In Frankreich z.B. kann man mit 14 Jahren den AM erlangen, was nicht mehr möglich wäre. In vielen EU-Ländern liegt das Mindestalter für den A1-Führerschein bei 16 Jahren; nach Dellis Vorschlag würde es in der gesamten EU künftig auf 18 Jahre angehoben. Die verschiedenen Stufen für A und eine Probezeit für B würde auch mit unterschiedlichen erlaubten Höchstgeschwindigkeiten einhergehen: Mit dem Führerschein A1 wäre es Bikern künftig verboten, schneller als 90 km/h zu fahren, mit A2 läge die V-Max bei 100 Sachen und mit dem vollen A wäre bei 110 finito. Allesamt komplett praxisfremde Limits.
Der maßgebliche Verkehrsausschuss (TRAN) hat die französische grüne Europaabgeordnete Karima Delli sogar zu seiner Sprecherin ernannt. Aus meiner Sicht wurde hier der Bock zum Gärtner gemacht. Ein bemerkenswertes Detail war, dass Dellis Bericht zunächst nur auf Bulgarisch veröffentlicht wurde, später auch auf Ungarisch, Maltesisch und Gälisch. Die englische (und andere) Übersetzungen folgten erst Anfang September, wenige Tage bevor der Bericht im TRAN debattiert wurde. Honi soit qui mal y pense – wie der Franzose sagt: Ein Schelm, der Arges dabei denkt.