Händler alle Couleur, verbündet euch!

Wir Fachjournalisten sind in unserer publizistischen Arbeit auf gut funktionierende Netzwerke angewiesen, denn sind wir gut mit der Szene verdrahtet, ist das ein Pfund, mit dem wir wuchern können. Der regelmäßige Austausch mit meinen Lesern aus dem Einzel- und Großhandel, der Werkstattbranche, den Motorradherstellern und der Zubehörindustrie sowie unabhängigen Branchenexperten ist mir sehr wichtig. Das führt dazu, immer am Puls der Zeit zu sein und aktuelle Themen aufzuschnappen, die für uns alle relevant sind.

So hat mich jüngst der Frankfurter Rechtsanwalt Matthias Besier, ausgewiesener Kenner der Motorradmaterie und Vertriebsrechtsspezialist, der unter anderem als Rechtsbeistand für Händlerverbände wie Yamaha oder KTM fungiert, auf ein wichtiges Thema hingewiesen. Er schickte mir einen aktuellen Aufsatz zu einem brisanten Thema zu, den ich euch nicht vorenthalten will und an dieser Stelle zum Besten gebe. Es geht um die Wichtigkeit der Existenz von Motorradhändlerverbänden.

Matthias Besier: „Obwohl sich die Neuzulassungszahlen auf dem Motorradmarkt seit der Corona-Pandemie 2020 stetig nach oben entwickelt haben, ist dieser Aufschwung längst nicht bei allen Händlern angekommen. Im Gegenteil: Viele Hersteller straffen seit geraumer Zeit ihre Händlernetze und trennen sich von ihren teils langjährigen Partnern. Stichwort: Strukturkündigungen. Daneben geben Händler aus Alters- und Krankheitsgründen auf oder gehen in Insolvenz. 

Tendenziell gehen die Renditen in den Betrieben zurück, weil manche Hersteller die Margen teils massiv zusammenstreichen. Folge: Die Vertriebssysteme der Hersteller und damit auch viele Betriebe stehen unter massivem Druck, jüngst verstärkt durch die multiplen Krisen wie die Kriege in der Ukraine und in Nahost, Inflation und Kaufzurückhaltung und wirtschaftliche Probleme am Standort Deutschland. 

Im aktuellen Verhältnis zwischen Motorrad-Hersteller und -Händler knirscht es gewaltig, enormes Streitpotenzial zwischen Einzelhandel und Großhandel (Hersteller/Importeur) ist zu beobachten. Zwar gehören einzelne Händler durchaus zu den Gewinnern. Sei es, weil sie gerade auf die richtigen Markenpferde gesetzt haben. Sei es wegen des jugendlichen Alters des Inhabers. Sei es wegen eines vorhandenen regionalen Standortvorteils. Sei es wegen der Modernität der Betriebslogistik. Sei es wegen der Werbemaßnahmen in den sozialen Medien, die Vorteile bringen, die sich jetzt in der Krise bewähren und für eine stabile Weiterentwicklung und den Fortbestand dieses Händlerbetriebes sorgen. 

Fakt ist aber: Kein Betrieb möchte in „seinem“ Vertriebssystem zerrieben werden. Gleich, ob er Opfer einer Strukturbereinigung seines Herstellers wird oder aber weil die Übernahme eines Betriebs durch einen Nachfolger nicht zustande kommt, durch den Lieferanten gestört oder sogar im schlimmsten Fall blockiert wird. Alles führt zu mannigfaltigen Auseinandersetzungen. 

Auswirkungen dieser Konflikte sind Streitereien über die Gleichmäßigkeit der Belieferung innerhalb der Kündigungsphase bzw. der Kündigungsfristen – juristisch gesprochen der „Erhalt besonders marktgängiger Ware“ - und letztendlich auch die Geltendmachung von Abwicklungsansprüchen. Nach der Beendigung eines Händlervertrages sind das unter anderem:

1.    Warenrückgabeanspruch gegen Vergütung
2.    Handelsrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB rechtsanalog
3.    Der Wunsch, als Werkstattbetrieb weitermachen zu dürfen
4.    Die Belieferung mit originalen Ersatz- und Zubehörteilen
5.    Die Erlangung von aktuellen technischen Unterlagen für die Durchführung von Reparaturen
6.    Die sofortige Fälligstellung von Warenkrediten der lieferantenspezifischen Banken
7.    Die Geltendmachung von Boni und Rabatten, die unter Umständen während der Kündigungsphase wegfallen. 

In diesen Bereichen haben die einzelnen Handelsbetriebe in Deutschland gute Chancen, Ansprüche durchzusetzen. Alles hängt allerdings von der Frage ab, inwieweit die Logistik innerhalb eines solchen Handelsbetriebes so effizient ist, um diese Ansprüche geltend zu machen. 

An dieser Stelle ist auch hervorzuheben, dass das Produktions- bzw. Belieferungsniveau aus der Sicht der verschiedenen Markenlieferanten sehr unterschiedlich ist. Sind bei dem einen Vertriebssystem durch den Lieferanten für Deutschland zu viel Fahrzeuge bestellt worden, sieht er sich im Druck, diese Fahrzeuge in dem von ihm organisierten Vertriebssystem unterzubringen.

Das führt im Bereich der Vororder aus Sicht des Händlerbetriebs oftmals zu wirtschaftlich katastrophalen Zuständen. Unabhängig von einer Vororder besonders dann, wenn Produktions- oder Bestandsüberhänge aus der Struktur des Lieferanten mit erheblichen Preisnachlässen zu einem späteren Zeitpunkt nach der Vororder und den diesbezüglich gelieferten Fahrzeugen in den Markt hineingepresst werden. Das führt zu einem Angriff auf die Preiswürdigkeit der Ware. Stichwort: Dumpingpreis. Denn ein so nachträglich begünstigter Händler kann niedrigere Endverbraucherpreise aufrufen als derjenige Händler, der zum regulären Einkaufspreis ursprünglich über die Vororder die Ware erwarb. Ein großes Problem gibt es allerdings: der Begriff einer Lagerbestandsvergütung findet sich im deutschen Sprachschatz bedauerlicherweise nicht. 

Was sein sollte oder sein könnte? Händler, die in solchen Situationen sich in einem derartigen Vertriebssystem bewegen, sollten und können, wenn sie in Händlerverbänden zusammengeschlossen sind, über Bestandsausgleichzahlungen verhandeln. Wer könnte dies besser als ein markengebundener Händlerverband! Doch davon gibt es hierzulande nicht mehr allzu viele. Ausnahmen wie BMW, Harley und Ducati bestätigen die Regel.

Hat ein Lieferant indessen für Deutschland zu wenige Fahrzeuge zur Belieferung veranlasst oder die falschen Modelle bei seinem Produzenten geordert, führt das zu einem Verteilungskampf innerhalb der Händlerschaft. Die Macht der individuellen Beziehungen – die es natürlich überhaupt nicht gibt – entscheidet über regionale Marktvorteile einzelner Händler. Andere, nicht belieferte Händler, laufen Gefahr, in eine Betriebskrise zu rutschen, weil sie den Kunden mit einem bestimmten Modell nicht beliefern können. Vom Lieferanten einzuhaltende Verteilungsgrundsätze, die transparent, nachvollziehbar und von vornherein planbar sein sollten, wären in einer solchen Situation dringend notwendig. Und noch einmal: Wer könnte so etwas besser verhandeln als ein markenspezifischer Händlerverband?

Läuft indessen aus der Sicht des nationalen Lieferanten alles mehr oder weniger im Wildwuchs, sollte nicht verkannt werden, dass eine solche Vertriebspolitik ein Prozedere lostritt, bei dem am Ende die Preiswürdigkeit der Ware (immer unter dem Gesichtspunkt der engen Verbindung von Qualität und des angemessenen Preises) auf mittlere und lange Sicht auf dem Altar der schnellen Vermarktung geopfert wird. Weder der Einzelhandel noch der Lieferant können bei dieser Sachlage perspektivisch für die Zukunft planen. Jeder Händler sollte deshalb eine solche Dumpingpreisbelieferung innerhalb eines Vertriebsnetzes fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Viele Einzelhandelsbetriebe, vor allem die wirtschaftlich schwächeren Unternehmen, werden auf diese kalte Weise letztendlich genauso aus dem Markt gedrückt wie bei einer Strukturkündigung. Das zeigt, dass die Bedeutung von Interessenvertretungen gegenüber den Lieferanten eine enorme Bedeutung gewonnen hat. Deshalb: Sagt Ja zu einem Händlerverband.“

Wie sieht es in euren Händlernetzen aus? Habt ihr auch ähnliche Probleme mit eurem Hersteller oder läuft alles rund? Welche Erfahrungen habt ihr mit Händlerverbänden gemacht? Würdet ihr euch wünschen, dass in euren Markennetzen sich mehr solcher Händlerverbände gründen und eure Interessen vertreten? Ich würde mich über möglichst viele Reaktionen freuen. Schickt mir eure Meinungen wie immer an maderner@syburger.de.

Selbstverständlich werden eure Einsendungen vertraulich behandelt und anonymisiert veröffentlicht! Gerne könnt ihr aber auch unter eurem vollen Namen Klartext reden.

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