Stau, schau, wem?

Was haben Motorradfahren und Staus miteinander zu tun? In diesem Speedlog möchte ich versuchen, ein paar Antworten zu geben, doch zunächst einmal zu den Fakten: Die Dauer der Staus auf deutschen Autobahnen im vergangenen Jahr hat sich auf 427.000 Stunden summiert, rund 30 Prozent mehr als 2022. Die gute Nachricht: dieser Wert lag noch deutlich unter dem im Vor-Corona-Jahr 2019.

Insgesamt registrierte der ADAC im vergangenen Jahr 691 Staus mit einer Länge von 20 Kilometern und mehr (2022: 383). Unter den überregionalen Autobahnen war die A 3 Stau-Spitzenreiter, gefolgt von der A8 sowie der A10, dem Berliner Ring. Das Bundesland mit den meisten Staus war wie in den Vorjahren mit knapp 34 Prozent Nordrhein-Westfalen.

Dazu ein paar Anmerkungen von mir als Motorradfahrer: Zwar sind auf deutsche Autobahnen hauptsächlich Brummis und Pkw unterwegs. Zweiräder nutzen die weitestgehend geradeaus verlaufenden Verkehrsadern nur selten. Doch wenn der Biker sie nutzt, könnte er durchaus dazu beitragen, den Stau kürzer zu machen, wenn er denn die Mittelgasse benutzen dürfte, um sich mit langsamer Geschwindigkeit an den Pkw und Lastern vorbeizuschlängeln, wie es viele Motorradfahrer in solchen Fällen tun.

Doch leider kennt der Gesetzgeber hierzulande keine Gnade. Irgendwie habe ich immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich traue, in der Mitte langsam an den Staufahrzeugen vorbeizubewegen. Erwischt mich die Polizei bei diesem gesetzeswidrigen Tun, kostet es mindestens 100 Euro Strafe. Selbst das Argument, dass sich der Biker bei 30 Grad dadurch vorm Hitzetod retten könnte, lässt der Gesetzgeber mit dem Hinweis auf richtige Bekleidung nicht gelten.

Andere Länder sind da großzügiger: Das Lane Splitting oder Filtering erlauben etwa Länder wie die USA oder England sowie ist in Asien gängige Praxis. Und zwar nicht nur beim Durchfahren der Mittelgasse auf Autobahnen, sondern auch im Stadtverkehr beim „Vordrängeln“ an der Ampel. Das Problem dabei in Deutschland: Weil dieser fahrzeugbauartbedingte Vorteil es „einspurigen“ Motorradfahrern (und auch Fahrradfahrern) ermöglicht, Zeit zu sparen und Verkehrsstaus zu umgehen, wird sofort der Neid der Autofahrer ausgelöst (Brummifahrer sind da deutlich entspannter). Lang lebe die deutsche Ellenbogenmentalität! Online-Petitionen mit Zielrichtung Deutscher Bundestag zu diesem Thema sind in der Vergangenheit leider krachend gescheitert.

Bei meinem Besuch jüngst in der indischen Millionenmetropole Bangalore wunderten wir uns wieder einmal, wie reibungslos der mega Verkehr abläuft: Zehntausende gleichzeitig on the road: Fußgänger, Fahrräder, Roller, Motorräder, Autos, Brummis und TukTuks. Wie durch ein Wunder und relativ entspannt, bahnt sich dort jeder seinen Weg. Ohne Lane Splitting oder Filtering wäre das verkehrstechnisch eine Vollkatastrophe. Alles eine Frage der Einstellung und einer liberaleren StVO.

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