Wenn aus einem Dilemma ein Trilemma wird

Das Echo der beiden Speedlogs vom 16. und 30. Oktober, die sich mit dem Thema „Stundenverrechnungssatz“ auseinandersetzten, schallt weiter in der Zweiradszene. Wie ein Kunde die Sache sieht, zeigt der Brief eines treuen „Speedlog“-Lesers, der seine Meinung lieber anonym kundtun möchte (sein Name ist der Redaktion bekannt).

„Hallo Stephan, 
das Thema Stundenverrechnungssätze berührt mich – sowohl aus der Sicht als Berater der Branche als auch als Kunde. Ob nun Alex Wiesler von UGT Bikes in Lörrach Recht hat oder Jens Vater von Motorrad Vater aus Bondorf, kann ich nicht beantworten. Wie denn auch? Sie haben beide eine/ihre Sicht auf das Thema.
 
Meine Sicht auf ein nicht unterkomplexes Thema
Zunächst sollten Erlöse von Liquidität unterschieden werden. Und dann sollten die „Revenue Generators“ (Einkommensquellen) wie die Bereiche Service (Werkstatt, Ersatzteile) und Vertrieb (Verkauf von Fahrzeugen und Zubehör/Ersatzteilen) in dieser Hinsicht getrennt betrachtet werden.
Erlöse im Service führen sofort und in vollem Umfang zu Liquiditätszuflüssen. Im Verkauf ist das Thema Liquiditätszufluss (hier: von Neu-Fahrzeugen) häufig in den Verträgen geregelt. Was meine ich damit?
Beim Verkauf werden unterjährig den Händlern oft nur kleinere Deckungsbeiträge (UVP/Listenpreis abzgl. Einkaufspreis) ermöglicht. Diese werden durch ruinöse Preisnachlässe an Endkunden jedoch allzu häufig dezimiert.
Erst wenn der Händler eine „vereinbarte“ Menge an Neu-Fahrzeugen beim Hersteller abgenommen hat, wird der Händler zeitversetzt, im Nachhinein, mit einem Bonus (Nachlass auf den Einkaufspreis) belohnt. Diese Systematik hat Vor- und Nachteile für beide Seiten. Auf die Vorteile möchte ich hier nicht näher eingehen. Nachteilig auf die unterjährige Liquidität wirken sich immer Forderungen der Hersteller bzgl. Investitionen im Bereich CI/CD aus. Das gilt besonders dann, wenn die Investitionsmittel besonders über Mengensteigerungen in der Zukunft verdient werden müssen.
In den Händlerverträgen ist im Bereich Verkauf m.E. ein unterjähriges Liquiditätsproblem angelegt.
Dieses Problem kann nur teilweise kompensiert werden durch ein gewährtes längeres Zahlungsziel und die Möglichkeit des sofortigen Vorsteuerabzugs beim Einkauf. Es bleibt dem Händler somit rein faktisch nur der Weg über den Umsatz im Bereich Service unterjährig einen Großteil der Liquidität zu beschaffen. Je mehr Prozentanteile der unterjährigen Gesamtkosten des Betriebes allein durch Deckungsbeiträge aus dem Bereich Service erwirtschaftet werden können, desto besser. Ausgerechnet hier muss sich jedoch der markengebundene Händler mit Wettbewerbspreisen des „freien Marktes“ Tag für Tag auseinandersetzen.
 
Wie kann der Händler den Deckungsbeitrag im Service erhöhen?
Durch höheren Stundenverrechnungspreis, höhere Auslastung der Werkstatt und gleichzeitigen, fortwährenden Anstrengungen (nur schlechte) Kosten zu eliminieren. Bei diesem „Trilemma“ müssen die jeweiligen individuellen Möglichkeiten und Grenzen (intern & extern) des Betriebes am Standort ausgelotet werden. Permanent.
Erfolgsgaranten: Top Mitarbeiter - Schrauber und Verkäufer mit Herz und Leidenschaft. Das allein reicht aber nicht aus. Darüber hinaus benötigt jeder Betrieb fundierte Kenntnisse in Betriebswirtschaft, moderne IT-Strukturen und Unterstützungsleistung des Herstellers beim Marketing.
 
PS: Einen undifferenzierten Vergleich Kfz-Werkstatt vs Motorrad-Werkstatt halte ich nicht für zielführend. Auf ein Auto können wenige verzichten. Es dient oft der Erwerbssicherung und Alltagsbewältigung. Auf ein Motorrad können in dieser Hinsicht leicht viele verzichten. Geht es aber um sein geliebtes Hobby, zeigt sich der Mensch gerne von seiner generösen Seite.“

Danke für diese fundiert-inspirierende Analyse und die Anregungen fürs Alltagsgeschäft in unseren Werkstätten. Was sagen die Händler und Werkstattbetreiber dazu? Starke Worte – Fakten und Weisheiten und Zumutungen, die aufrütteln? Schreibt mir eure Meinung an maderner@syburger.de. Ich freue mich auf eine lebhafte Diskussion.

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