Inklusive Vorstand und Delegierten versammelte sich die Handwerkslobby im Besprechungsraum im ersten Stock des Motorradzubehörspezialisten (Teile vor allem für BMW, Harley Pan American und Ducati Multistrada). Wunderlich-Geschäftsführer Frank Hoffmann führte die Delegierten fachkundig durch Showroom, Entwicklung und Lager und lud hernach zum Mittagessen ein.
In seiner Rede an die Zweiradnation umriss Bundesinnungsmeister Franz-Josef Feldkämper die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen am Standort Deutschland – mit einem Wildwuchs von neuen Gesetzen auf Bundesebene wie zum Beispiel den 2025 in Kraft tretenden neuen Bestimmungen zur „Elektronischen Rechnung“. Der Motorradbereich durchlebe „wirtschaftlich unruhige Zeiten, leide unter einer schwachen Nachfrage und hohen Lagerbeständen“, so Feldkämper. Zudem müsse die Herausforderung der Umstellung auf Euro5+ gemeistert werden und Modelle nach alter Norm noch rasch bis zum Jahresende zugelassen werden. Ein ähnlich düsteres Bild zeichnete er vom Fahrradmarkt: Großhandel, Einzelhandel und die OEM säßen auf einem Überbestand an Fahrzeugen. In Verbindung mit den hohen Zinsen und der Kaufzurückhaltung ergebe sich eine toxische Mischung, die vielen Unternehmen dem Risiko der Insolvenz aussetzten.
Alles andere als prickelnde Botschaften hatte der Bundesinnungsmeister auch in Sachen Nachfolgeregelung im Gepäck. Nach den Prognosen der Wirtschaftsforscher stünden in Deutschland bis 2026 rund 190.000 Firmenübergaben an, darunter viele mit ungewissem Ausgang und aus dem Zweiradbereich.
Erfreuliche Nachrichten vermeldete Franz-Josef Feldkämper dagegen für den Ausbildungsbereich. So sei im Jahr 2023 die Zahl der neu abgeschlossenen Azubiverträge im Bereich Motorrad deutschlandweit um elf Prozent auf 426 gestiegen. Stabil blieb auch die Zahl der Ausbildungsverträge im Fahrradsektor mit 798 Verträgen, insgesamt suchten also im vergangenen Jahr 1224 junge Schulabgänger ihre Zukunft im Zweiradhandwerk. Gleichwohl dürfe man nicht nachlassen, das Berufsbild attraktiv zu halten, konkreter ließ er sich auf der Mitgliederversammlung über ein neues Berufsbild allerdings nicht aus.
Darüber und um weitere Maßnahmen, die Mitgliedschaft im Verband attraktiver zu gestalten sowie ein mögliches neues Leitbild des BIV zu erarbeiten, soll eine gesondert einberufene Vorstandssitzung diskutieren. Zur Debatte in Zeiten gestiegener Preise stand auch eine mögliche Erhöhung der Beitragssätze für BIV-Mitglieder im Raum, die sich aus den Reihen der Landesinnungen rekrutieren.
Ein Höhepunkt der Mitgliederversammlung im Wunderlich-Headquarter war der Vortrag von Gaby Oberem vom gleichnamigen Ingenieurbüro zum Thema „Motorrad-Tuning und Einzelgenehmigungsverfahren“. Entsprechende deutsche Gesetzesänderungen würden Kleinserienhersteller benachteiligen und in ihrem Tun behindern. Grundlage dafür ist die 56. Verordnung zur Änderung der StVZO, die seit 20. Juni in Kraft ist.
Zentraler Bestandteil ist der §19 für Klasse L und T und die vollumfängliche Einhaltung der EU-Vorschriften ab dem ersten Fahrzeug. Damit stirbt die Praxis der Einzelgenehmigung nicht nur für ATV/UTV und Traktoren, sondern auch für individuell aufgebaute Motorräder im Kleinserienbereich (§21 StVZO). Im Kern ist künftig die Praxis verboten, sich für spezielle Reifen, Spurplatten, Federn, Fahrwerke und andere technische Raffinessen etc., die in diesen Fahrzeugen verbaut und zum Einsatz kommen, eine Einzelzulassung zu besorgen, wenn es dafür keinen EU-Typgenehmigungskonformen Nachweis gibt.
Gaby Oberems Fazit: „Für mich ist ein Markt ohne diese technischen Schmankerln langweilig.“ Die Szene lebe von solchen Extravaganzen in der Nische, somit befürchtet Oberem, dass auf lange Sicht nur noch die großen Hersteller übrigbleiben. Innovative Ideen und „nischige“ Produkte hätten kaum mehr Chancen, sich zu zeigen, geschweige denn auf dem Markt zu behaupten.