Fest steht: Immer mehr Autohäuser steigen ins Motorradbusiness ein. Ein entsprechendes Posting in meinem LinkedIn-Kanal fachte eine lebhafte Diskussion in meinem beruflichen Netzwerk an, die ich hier zum Besten geben möchte.
Detlev Schliesser, der Anfang der 2000er an der Bundesfachschule für Zweiradtechnik in Frankfurt seinen Zweiradmechaniker-Meister machte von 1998 bis 2014 als Inhaber eines Motorradbetriebs tätig war und heute in der Qualitätssicherung des Automobilzulieferers IFA Group arbeitet, schrieb mir:
„Das gab es vor einigen Jahren schon einmal. Ich denke, das geht aus verschiedenen Gründen nach wie vor nicht. Wir reden jetzt nicht von separaten Häusern, Räumen, Flächen und spezifischem Personal. Das Einrichten von ,Motorradecken' im Verkaufsraum und der Werkstatt wird dem Produkt und dem Kunden niemals gerecht.
Sowohl Umgang, Umgebung als auch Anspruch an Qualifikation, Service, Wartung und erst recht an Reparatur sind sehr spezifisch und mit dem Pkw-Handel und Service nicht vereinbar. Obwohl die Mehrheit der Kunden ja dieselben sind, haben sie im Zweiradgeschäft eine völlig andere Erwartungshaltung. Hier geht es immer noch um Emotionalität, neben allen professionellen Ansprüchen. Theoretisch denkbare Synergieeffekte in Geschäftsführung, Buchhaltung oder Auftragsannahme bewiesen sich in der Praxis als nicht so maßgeblich, dass sie die vielfältigen Nachteile wettmachen könnten.
Versuche gab es durch die Importeure immer mal wieder, an Hondas Scheitern 2005 sei an dieser Stelle erinnert. Es gab sehr viel böses Blut bei den etablierten Motorradhändlern und im Resultat eine eklatante Schwächung des gesamten Vertriebsnetzes.
Fazit: Finger weg von solchen untauglichen Konzepten. Der Euro für ein Motorrad oder eine fachgerechte Reparatur kann nur einmal ausgegeben werden. Stärkt die Motorradhändler, die es wirklich können!“
Motorrad-Kommunikationsprofi Maggie S. Zimpel, beim Harley-Händler Thunderbike in Hamminkeln als PR-Redakteurin angestellt, kommentierte:
„Vielleicht kommt es hier auf die Kombination der Marken an. Ist eine der Marken stark mit Emotionen besetzt und die andere eher mit Technik, könnte es für die Mitarbeiter schwierig werden zu switchen. Als ehemalige Redaktionsleiterin von vier markenbezogenen Automagazinen und einem Motorradmagazin habe ich Einblicke in beide Welten und kann behaupten, dass man dort in der Regel unterschiedlich tickt.
Und: Wenn wir ehrlich sind, braucht man das Motorrad heutzutage nicht unbedingt. Wir reden vielleicht sogar von einer Form von Luxus. Interessenten und Besitzer von Luxusprodukten behandele ich anders als Kunden, die meinen, auf ihr Auto angewiesen zu sein.
Ich beobachte mit gemischten Gefühlen, wie immer mehr ehemalige Auto-Fachleute in das mittlere und gehobene Management der Motorradbranche geholt werden. Auf der anderen Seite verschwinden erfahrene Fachleute und mit ihnen die Expertise.
Warum ich dazu gemischte Gefühle habe? Ich kenne es aus meiner eigenen Arbeit so, dass im Motorradbereich mehr Leidenschaft steckt, wohingegen im Autohaus oftmals nur ein Job gemacht wird. Ausnahmen sind auch hier wieder die emotionsbehafteten und oftmals hochpreisigen Marken. Ist es wirklich so, dass wir nicht genügend gute Leute in der Motorradwelt haben? Dann sollte man sich vielleicht mal Gedanken um den Nachwuchs machen, Mentoring-Programme o.ä. starten.“
Wie ist Ihre Meinung zum Thema? Werden die Autohäuser an den spezifischen Anforderungen des Motorradhandels scheitern oder taugen ihre professionellen Strukturen dazu, das operative Geschäft der Zweiradbetriebe zu verbessern und langfristig höhere Erträge zu erzielen? Ich freue mich wie immer auf Ihre Reaktionen, um eine fundierte fachliche Diskussion über die Zukunft unserer Branche führen zu können. Mail an maderner@syburger.de.